Robin Afamefuna: Ein Fußballprofi der besonderen Art – unkonventionell und untypisch

Afamefuna wurde als Sohn eines nigerianischen Vaters und einer deutschen Mutter in eine große Familie geboren: „Ich habe sehr viele Geschwister. Inklusive Halbgeschwister habe ich mehr als zehn.“ Seine Fußballkarriere startete bei Sparta Würselen. Der Verein liegt direkt an der Straße, in der aufgewachsen ist, auch seine älteren Brüder haben dort ihre ersten Fußballerfahrungen gesammelt. Doch nicht nur auf dem Platz, sondern auch im eigenen Garten ging es schon früh hart zur Sache: „Im Garten haben wir dann drei gegen eins gespielt, die drei gegen mich. Da haben die mich dann auch gerne umgetreten als Zehnjähriger.“ Von Sparta Würselen wechselte der talentierte Verteidiger über das Nachwuchszentrum von Alemannia Aachen zur U17 von Borussia Mönchengladbach. Dort durchlief er die letzten Jahre seiner Jugendlaufbahn, bevor er sich im letzten Jahr der U19 einen Innenmeniskusriss im rechten Knie zuzog. Eine harmlose Verletzung, die den damals 19-Jährigen jedoch sieben Monate am Fußballspielen hinderte. Das war auch Grund dafür, dass Afamefuna keinen Anschlussvertrag bekam, auch andere Angebote aus der Region blieben aus.
Schlechtes Timing, würden die meisten sagen. Doch für Afamefuna bot sich dadurch die Möglichkeit, mit einem Stipendium in die USA zu gehen: „Das war auf jeden Fall das Beste, was mir passieren konnte“, sagt er heute. In den Vereinigten Staaten hat sich Afamefuna nach eigener Aussage „unglaublich“ weiterentwickelt – sowohl sportlich als auch menschlich. Gleichzeitig Vollzeitstudent und Leistungssportler zu sein, stellte sich als Herausforderung raus. Doch trotz anfänglicher Schwierigkeiten konnte Afamefuna seinen Bachelor abschließen und wurde nach Stationen bei den Virginia Cavaliers und den Long Island Rough Riders von den Colorado Rapids für die Major League Soccer gedraftet: „Ich habe ab Januar knapp sechs Wochen im Trainingslager der Colorado Rapids in California am New Port Beach verbracht. Ich war volle sechs Wochen dabei und habe in Testspielen auch in der Stammmannschaft gespielt“, sagt er.
In einem Gespräch mit dem Trainer kurz vor Saisonbeginn der MLS erfuhr Afamefuna, dass der Verein ihn gerne halten würde. Doch aufgrund einer Regelung, die bestimmt, wie viele ausländische Spieler im Kader eines MLS-Teams stehen dürfen, platzte der American Dream. Wegen fehlender Perspektive kam der damals 22-Jährige zurück nach Deutschland. Eine Woche später begann die Corona-Pandemie. „Dann war ich aber anderthalb Jahre vereinslos, was auch für meine Karriere sehr schwer war“, blickt er zurück. „Ich habe dann in den anderthalb Jahren acht bis neun Kilogramm zugenommen, weil ich für mich beschlossen hatte, dass meine Karriere vorbei ist. Das war auch vom Kopf her eine sehr schwere Zeit, ich habe mir gesagt, das war es jetzt, ich hatte mit dem Fußball abgeschlossen“. Doch dann klopfte der Bonner SC an. Afamefuna trainierte drei Monate hart, vor Saisonbeginn war er wieder fit genug, um in die Regionalliga zu starten. Nach zwei Abstiegen mit dem Bonner SC und Rot-Weiß Koblenz kam der Schritt zurück nach Hause, Alemannia Aachen bekundete Interesse an dem Linksverteidiger: „Als ich den Anruf bekommen habe, ist mir fast das Handy aus der Hand gefallen“, erinnert er sich.
Der Verein bedeutet dem gebürtigen Würselener, fünf Autominuten von der Kaiserstadt entfernt, sehr viel: „Das war unglaublich. Ich war da früher oft im Stadion, war jahrelang Balljunge, ich habe Spiele gegen Bayern München mitbekommen. Die Möglichkeit zu haben, dort dann selbst auf dem Platz zu stehen, in meiner Stadt zu spielen, das war schon was ganz Besonderes.“ In Aachen spielte Afamefuna regelmäßig vor über 20.000 Zuschauern: „Dafür ist man Profi geworden“, sagt er. Auch bei den Fans machte sich der „Aachener Junge“, wie er sich selbst bezeichnet, schnell beliebt: „Ich muss ganz ehrlich sagen, das macht schon sehr viel mit mir. Ich bin hier in Köln auch schon ein paar Mal angehalten worden von Alemannia-Fans, das freut mich immer sehr.“
Doch die Zeit in Aachen fand ein schnelles Ende. Trotz des Aufstiegs in die 3. Liga, an dem Afamefuna mit 21 Einsätzen maßgeblich beteiligt war, wurde sein auslaufender Vertrag von Seiten der Alemannia nicht verlängert: „Wie es dazu gekommen ist, dass ich nicht bei Aachen geblieben bin, war sehr schade für mich. Da hätte ich mir ein anderes Ende gewünscht“. Seinen Ex-Verein verfolgt der 27-Jährige trotzdem weiter.
So folgte im Sommer 2024 der Schritt in die Südstadt: „Den Verein fand ich schon immer cool, ich habe nur Gutes gehört. In meinen anderen Regionalligajahren habe ich schon gemerkt, dass die Fortuna immer unglaublich nah am Aufstieg war“, so „Afa“, wie ihn seine Mitspieler beim Südstadtclub nennen. In den Gesprächen mit den Fortuna-Verantwortlichen Matthias Mink und Niklas Müller hat Afamefuna seine Ambitionen klar geäußert: „Ich habe gesagt, dass ich auf jeden Fall direkt aufsteigen möchte. Ich bin keiner, der tief stapelt.“
Das ist bei der Fortuna definitiv möglich, da ist er sich sicher. In der Hinrunde hat der Linksverteidiger kein Spiel verpasst. Das ist aber auch seine Erwartungshaltung an sich selbst, erzählt er. Immer das Maximum rausholen, auch im Training. Großen Druck verspürt er nicht: „Wir können befreit aufspielen und jedes Wochenende gucken, dass wir an unser Maximum herankommen.“ Aber: „Selbst, wenn wir da nicht drankommen, heißt es nicht, dass wir das Spiel nicht gewinnen können.“
In Köln ist er in einer kleinen Ein-Zimmer-Wohnung in Bayenthal untergekommen. Das reicht ihm vollkommen aus. Der 27-Jährige hat sich trotz anfänglicher Zweifel schnell eingelebt: „Ich habe vorher nie verstanden, warum Jeder Köln so großartig findet. Aber seit ich hier wohne verstehe ich es absolut.“ Auch das Flair der Südstadt sagt dem geborenen Würselener zu. Die vielen Cafés, Restaurants und Parks gefallen ihm besonders: „Hier gibt es immer was zu tun.“ Köln ist für ihn schnell zur zweiten Heimat geworden: „Wenn ich jetzt in Aachen bei der Familie bin, freue ich mich jedes Mal, abends wieder nach Hause zu kommen.“
Neben dem Platz hat Afamefuna noch vor der Unterschrift beim Bonner SC nach seinem Bachelorabschluss in den USA in Deutschland angefangen, seinen Master zu absolvieren. „In den ersten Gesprächen mit dem Bonner SC habe ich erwähnt, dass es mir wichtig ist, dass ich zur Uni kann, wenn ich Veranstaltungen habe, die ich besuchen muss“, sagt er und fügt hinzu: „Ich habe mich zu dem Zeitpunkt genauso als Student wie auch als Fußballer gesehen. Fußball war und ist ein sehr wichtiger und prägender Teil meines Lebens. Aber ich bin mehr als nur Fußball, ich habe sehr viele andere Interessen neben dem Sport.“
Den Profisport und den Master unter einen Hut zu bekommen, war für Afamefuna nicht einfach: „Es war alles sehr schwer, aber ich habe das geregelt bekommen. Man musste viel zu Hause machen, vormittags Training, abends dann Uni. Aber, ich will mich gar nicht beschweren, ich brauche das tatsächlich. Ich bin nicht der Typ Mensch, der zu Hause sitzt und nichts tut.“ Mittlerweile hat er seinen Master abgeschlossen und forscht mit seiner Mentorin an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen weiter an seinem Thema.
Gemeinsam mit Dr. Thaya Vester untersucht er die Rolle von Schiedsrichterinnen im Fußball und den strukturellen Nachteilen, denen sie sich stellen müssen. Der Kontakt zu Dr. Thaya Vester kam zustande, nachdem Afamefuna einen Artikel fand, der zu dem Thema passte, mit dem er sich auseinandersetzen wollte: „So ist das Ganze ins Rollen gekommen. Ich habe da gemerkt, dass das ein sehr interessantes Thema für mich ist, auch weil ich selbst aktiver Fußballspieler bin.“ Im Rahmen seiner Masterarbeit hat Afamefuna mehrere Interviews mit Schiedsrichterinnen geführt: „Während der Interviews habe ich gemerkt, wie riesig die Probleme sind. Das war mir in dem Sinne gar nicht richtig bewusst, inwieweit der Fußball noch Strukturen hat, die gewisse Gruppen ausgrenzen und ausschließen.“
Im Rahmen seiner Arbeit wurde er vom Deutschen Fußballbund zu einer Podiumsdiskussion eingeladen, bei der er seine Forschungsergebnisse vorstellen konnte: „Da habe ich gesehen, dass es möglich ist, solche Themen in Verbänden präsenter zu machen.“ Der 27-Jährige hat im Fußball noch einiges vor: „Ich möchte so hoch spielen wie, es geht“, betont er. Für die laufende Saison bei Fortuna Köln äußert Afamefuna ein klares Ziel: „Ich will auf jeden Fall aufsteigen und den Pokal gewinnen". Doch der Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft. Mit seinem Masterstudium und der Arbeit als studentische Hilfskraft hat er sich schon mal eine Perspektive für die Zeit nach dem Profisport aufgebaut.