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Fröher un hück: Andy Wessels über das Unikum Löring, Schusters Viererkette und einen untalentierten Trainingskollegen

Hück: Andy Wessels (r.) mit Sohn Miron in der Soccerworld.

Fortuna hat Tradition. Fortuna hat zahlreiche Geschichten geschrieben. Fortuna hatte viele außergewöhnliche Spieler. Und genau diese wollen wir in loser Reihenfolge in unserer neuen Rubrik „fröher un hück“ ins Rampenlicht rücken. Wie war das damals? Und was machen sie heute?

In dieser Folge beschäftigen wir uns mit Andreas Wessels. Der mittlerweile 60-Jährige bestritt 121 Bundesliga- und 117 Zweitligaspiele, zudem jeweils elf Partien im DFB-Pokal und im UI-Cup. Er stand neun Jahre lang beim VfL Bochum im Kasten (180 Spiele), ehe er seine Karriere bei den Südstädtern ausklingen ließ. Unter den Trainern Jürgen Gelsdorf und Bernd Schuster kam er von 1995 bis 1998 82-mal zum Einsatz.

Bei seinem Heimatverein Uedemer SV fing alles an, damals noch als Feldspieler. Mit 17 gab es das erste Highlight, ein Probetraining bei Borussia Mönchengladbach. „Jupp Heynckes war der Trainer. Die hatten eine gigantische Truppe mit Lothar Matthäus usw. Sie suchten einen jungen Nachfolger für Uli Sude. Ich kannte die alle nur aus dem Fernsehen. Dann wollten die mich für die Amateurmannschaft holen. Aber Winfried Schäfer wurde dann dort Trainer und er brachte einen Torwart mit“, erinnert sich Wessels. 

Später spielte er in der höchsten Amateurliga bei Viktoria Goch. Dort wurden Scouts auf ihn aufmerksam. Bochum holte damals die fünf besten Spieler der Liga. Unter anderem auch Rob Reekers und Jupp Nehl. 1986 begann die Zeit an der Ruhr. Und zunächst musste sich Wessels hinter Ralf Zumdick einordnen, doch seine Zeit kam noch. Unter anderem wurde er mit dem VfL in der Saison 1993/94 Zweitliga-Meister. Das 2:2 beim Karlsruher SC am 17. Juni 1995 war sein letztes Spiel für Bochum. „Mein Vertrag in Bochum war damals zum 30. Juni ausgelaufen und am 2. Juli wurde Jan, mein jüngster Sohn, geboren. Er war eine Frühgeburt in der 26. Schwangerschaftswoche. Vor 30 Jahren war das noch ein bisschen was anderes. Und da hatte ich auch gar keinen Kopf, mich um Fußball zu kümmern, wir waren ein halbes Jahr jeden Tag im Krankenhaus.“

Im Fußball wendet sich das Blatt aber manchmal schneller als man denkt. Ein ehemaliger Trainer erinnerte sich an ihn. Bei der Fortuna war zu diesem Zeitpunkt akuter Handlungsbedarf auf der Torhüter-Position entstanden. Adam Matysek kurierte noch eine langwierige Knieverletzung aus. Wolfgang Wiesner zog sich einen Schien- und Wadenbeinbruch zu und Walter Junghans erlitt einen Bänderriss im Schulterbereich. 

„Das werde ich nie vergessen. Im Oktober wurde mein Sohn Jan nach mehreren Operationen aus dem Krankenhaus entlassen. Der Kleine war gerade mal eine Stunde zu Hause und dann rief Jürgen Gelsdorf an. Er sagte, er habe alle Torhüter verletzt, ich müsse ihm helfen. Ich war in dem Moment ein halbes Jahr raus. Eine Woche später bin ich zum Training gefahren. Wer mich damals gesehen hat, dachte, hat der überhaupt schon mal Fußball gespielt? Meinen ehemaligen Bochumer Torwart-Kollegen Ralf Zumdick konntest du nach drei Jahren aus dem Urlaub holen und ins Tor stellen. Ohne Training war ich aber eine Katastrophe. Da konntest du mich vergessen, jeder Schuss war drin,“ gibt Wessels zu. 

Jürgen Gelsdorf gab ihm dennoch einen Vertrag. Wessels sollte die sechswöchige Vorbereitung mitmachen und nach dem Winter angreifen. „Und dann habe ich jedes Spiel gemacht. Adam Matysek, der später in Leverkusen Champions League gespielt und mit Christoph Daum Vizemeister wurde, saß stattdessen ein halbes Jahr auf der Bank.“ 

Auf Gelsdorf folgte ein echter Weltstar auf der Trainerbank, der „blonde Engel“ brachte Glanz in die Kölner Südstadt. „Mit Bernd Schuster habe ich mich immer super verstanden. Wenn du auf ihn zugegangen und mit ihm gesprochen hast, war er der beste Trainer überhaupt. Viele hatten ihm gegenüber eine Hemmschwelle. Ich habe ihn nachher auch nochmal in Levante besucht, als er da Trainer war. Ich habe eine Woche bei ihm gewohnt. Er ist ja später mit Real Madrid Meister geworden.“

Mit dem legendären Jean Löring hatte Wessels persönlich weniger Berührungspunkte, einige Erinnerungen sind dennoch hängen geblieben. „Er war ein harter Verhandlungspartner. Ich habe mehr oder weniger nur Vertragsgespräche mit ihm führen müssen, das war ein harter Kampf. Trotzdem war er ein Unikum. Er hat uns mit der Mannschaft mal in die Eifel eingeladen, als ich das Anwesen gesehen habe, mit Swimming-Pool, Tennisplätzen, Mauern drumherum, da dachte ich, wie soll er jemals bankrott gehen? Drei Jahre später haben sie ihm auf der Vorgebirgsstraße die Bude ausgeräumt“, wundert sich Wessels heute noch.

Und der Schäng wäre nicht der Schäng gewesen, hätte er nicht manchmal auch verrückte Dinge gemacht: „Damals war Besaplast unser Trikotsponsor. Und den Enkel des Sponsors hat er einfach bei uns mittrainieren lassen. Er war mit auf dem Mannschaftsfoto, es wurden Autogrammkarten von ihm gemacht. Wenn du ihn im Training in der Mannschaft hattest, hast du das Spiel verloren. Der konnte gar nichts“, sagt Wessels lachend. 

Unvergessen sind auch die Geschichten um die Viererkette, die Schuster damals partout bei der Fortuna einführen wollte. „Normalerweise hätten wir mit der Mannschaft aufsteigen müssen mit Spielern wie Charles Akonnor, Reiner Krieg, Markus Kranz oder Thomas Brdaric. Bernd Schuster wollte mit uns unbedingt die Viererkette spielen, weil er das gewohnt war. Die Spanier waren taktisch auch weiter als wir. Dann kam er zur Fortuna mit Jürgen Niggemann, Hansjörg Schneider oder Nico Niedziella in der Abwehr, die sind jahrelang dem Mann hinterhergelaufen, mit denen konntest du das eigentlich nicht spielen,“ sagt Wessels.

Die Betonung lag aber auf eigentlich, denn Schuster zog seinen Plan zunächst durch, Mit wenig Erfolg, was er später auch einsehen musste. „Er hat uns das im Trainingslager überragend erklärt, er hat sich in der anderen Hälfte aufgebaut und uns nach links und rechts verschoben, wie im Kindergarten. Er hat sich wirklich Mühe gegeben. Und dann kamen die ersten Spiele und wir haben alle versemmelt. Die Uerdinger sind am ersten Spieltag zehnmal allein auf unser Tor zugelaufen, das hätten wir auch 10:0 anstatt 2:0 verlieren können. Das Spielverständnis war nicht da. Irgendwann hat er umgestellt. Oliver Westerbeek als Libero, mit zwei Manndeckern, ab dem Zeitpunkt lief es wie geschmiert. Wenn wir die ersten Spiele normal gespielt hätten, wären wir aufgestiegen. Dadurch haben wir es verschenkt.“

Am 21. Mai 1998 endete seine Karriere beim 4:1-Erfolg beim VfB Leipzig. Nach der Führung für die Hausherren durch Roland Wohlfahrt drehten im Bruno-Plache-Stadion Iviva Grlic (2), Machambes Younga-Mouhani und Reiner Krieg den Spieß um. Wessels brach sich das Sprunggelenk. „Ich habe es eineinhalb Jahre noch versucht, ich war bei den besten Ärzten. Der Knochen war schief zusammengewachsen, man hätte ihn nochmal brechen und ein Stück Knochen aus der Hüfte einbauen müssen und es wäre wieder ein Jahr Reha draus geworden, ohne das Versprechen, dass ich danach wieder Leistungssport betreiben könnte. Mit 34 Jahren hatte ich keine großen Ambitionen mehr, ich war durch die Berufsgenossenschaft abgesichert und konnte durch eine Berufseingliederungsmaßnahme bei Derbystar arbeiten. Somit musste ich nicht gucken, wo ich bleibe“, so Wessels.

Nach dem Abitur schloss Wessels während seiner Bochumer Zeit bereits nach zweieinhalb Jahren eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann ab. „Mit Derbystar habe ich schon als Fußball-Profi Torwarthandschuhe weiterentwickelt und sie angezogen in der Bundesliga, später habe ich dann Torhüter wie Rene Adler und Tim Wiese betreut.“ Diese weise Voraussicht verhalf ihm nach seiner Sportinvalidität zu einem reibungslosen Übergang ins Berufsleben. 2001 eröffneten drei Studenten in Witten die erste Soccerhalle, damals war Tennis auf dem absteigenden Ast und die Plätze wurden umgebaut. Wessels las in der Zeitung davon, fuhr für Derbystar dorthin und stattete die Jung-Unternehmer mit Bällen aus. „Ich bin in die Halle reingekommen und war begeistert, der Kunstrasen war schon mit Granulat ausgelegt, da konntest du ohne Schürfwunden hinfallen.“

Nachdem er mit seinen Söhnen vor Ort Geburtstag gefeiert hatte, kam man ins Gespräch. Ein Unternehmensberater wurde mit an Bord geholt. Und dasselbe Projekt in Köln geplant. Ein Jahr später ging es los in Lövenich mit der Soccerworld. „Wir waren damals mit so einer großen Halle bundesweit mit die ersten“, sagt Wessels. Bis heute hält der Erfolg an.  

Dennoch gab es später erneut einen Berührungspunkt mit der Fortuna. Sohn Miron wechselte im Winter 2021 vom FC Pesch zur U23 und sorgte mit elf Toren in 15 Partien für den nicht mehr für möglich gehaltenen Klassenerhalt in der Mittelrheinliga. „Das fand ich Klasse. Ich bin öfter mit zu den Spielen gefahren, das waren alles gute Jungs. Das Allerbeste war, das Matthias Mink nachher sein Trainer wurde. Miron schwärmt heute noch von ihm. Er sei sein einziger Trainer gewesen, der Ahnung vom Fußball hatte“, sagt Vater Wessels. 

 

 

 

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