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Ein Weltstar in der Fußball-Provinz: Als Bernd Schuster die Fortuna erweckte

Jean Löring sagte einmal in einem Interview angesprochen auf sein teilweise angespanntes Verhältnis zur Journaille: „Ich bin kein Tünnes von sunem Bettsecker. Da nehme ich auch in Kauf, dass die Fortuna keine Presse hat.“ In der Saison 1997/98 konnte sich der legendäre Präsident dann aber vor Schlagzeilen gar nicht mehr retten. Grund war die spektakuläre Verpflichtung eines Weltstars als Trainer. Bernd Schuster hielt plötzlich Hof in der Kölner Südstadt.

Eine schillernde Persönlichkeit aus der großen Fußballwelt. In Spanien wurde der 21-malige Nationalspieler zuvor 1992 zum besten ausländischen Spieler aller Zeiten gekürt, er wurde 1980 Europameister und gewann elf Titel mit dem FC Barcelona, Real Madrid und Atletico Madrid. Er schlug als Spieler Pässe, für die er angebetet wurde und er schoss Tore, die in der ARD-Sportschau bei der Wahl zum Tor des Jahres die Plätze eins, zwei und drei belegten.  

„Ob wir gewonnen, oder miserabel gespielt haben, hat niemanden interessiert. Der Verein war dabei einzuschlafen“, sagte dereinst Walter Junghans, der frühere Torwart des FC Bayern. „Die Lage war von heute auf morgen völlig anders geworden“, so der Assistent des „blonden Engel“. Das Mauerblümchen der Liga erstrahlte in neuem Glanz. „Wir waren in zehn Tagen 16-mal im Fernsehen. Da brauchst du sonst ein ganzes Jahr für“, schwärmte Löring. Das öffentliche Interesse war riesig. Dem „Kölner Stadtanzeiger“ kam das Ganze so unwirklich vor, als gehe „Willy Millowitsch ins Tor der Kölner Haie“. 

Augenscheinlich war die Ehrfurcht groß vor dem Trainer-Novizen. Manager Jürgen Weinzierl erkannte eine „große Distanz bei den Medienvertretern“. Die „Kölnische Rundschau“ entdeckte bei dem stets als verschlossen und schüchtern geltenden gebürtigen Augsburger hingegen ungeahnten Charme und Wortwitz. Schuster war als Profi ein Enfant Terrible und ab und an erlebte man mit ihm auch als Trainer-Novize seltsame Dinge. Wollte man ihn telefonisch erreichen, ging zunächst in schöner Regelmäßigkeit der Bodyguard an den Apparat. Geriet Schuster mit seinem schwäbischen Tonfall im kleinen Kreis allerdings erst einmal ins Plaudern, hätte man ihm noch stundenlang zuhören können, wie er über Fußball philosophierte. „Nur weil ich jetzt hier bin, ist das deswegen noch kein Bundesligaverein“, betonte Schuster stets. Zumindest bei den Pressekonferenzen konnte der Eindruck entstehen. Fünf Fernsehstationen, WDR, Deutschlandfunk, private Radiostationen und Printmedien von der lokalen Presse bis zum Spiegel gaben sich ein Stelldichein.

Der populäre Volkstribun Löring und die Sphinx des deutschen Fußballs schlossen einen Schnuppervertrag von einem Jahr mit einer Option. Der ewige Präsident sah darin alles andere als einen Mediengag. „Ich habe mir immer einen jungen Trainer gewünscht. Und als ich die Lehrgangsliste durchgegangen bin, bin ich bei Bernd Schuster hängengeblieben.“ DFB-Ausbilder Gero Bisanz stellte dem 37-Jährigen schon im Voraus ein hervorragendes Zeugnis aus. Die Fortuna mutierte zwar nicht zu einem Real Madrid des Unterhauses, aber der Zuschauerschnitt wuchs beispielsweise auf mehr als 3.200 an, das war eine Steigerung um fast 75 Prozent.

„Bernd Schuster war eine Lichtgestalt. Ich kann mich noch gut an die erste Pressekonferenz erinnern, ein solch großes Medienaufkommen hat es bei der Fortuna wahrscheinlich vorher und nachher nie mehr gegeben. Aufgrund dessen und des Zuschauerandrangs fand auch das erste Training im Südstadion statt“, so der heutige Trainer der Fortuna, Matthias Mink, der unter Schuster als Spieler 25 Zweitliga-Partien absolvierte, alle in der Startelf. 

In kurzer Zeit studierte Schuster, der bei Trainern wie Hennes Weisweiler oder Cesar Luis Menotti in die Lehre gegangen war, die Viererkette ein. Das ging in die Hose. Das Auftaktspiel in Uerdingen wurde mit 0:2 verloren und Schuster beschied einem Kritiker hernach auf der PK er habe „davon keine Ahnung“. Nach einem 2:2 gegen den SV Meppen und einem 1:0 in Unterhaching („Warum sollte man das früher gekannt haben“) folgte ein ernüchterndes 2:6 im Pokal beim Fünftligisten VfR Mannheim. Es gab die Rolle rückwärts. Mink erinnert sich: „Das hat nicht wirklich funktioniert, letztlich war es eine desolate Leistung von uns beim KFC. Im Nachgang wurde daraus recht schnell wieder eine Dreierkette. Mit Oliver Westerbeek als Libero, davor dann zwei Manndecker.“

Das neue Traumpaar der 2. Fußball-Bundesliga tanzte aber nur einen Sommer lang. Die besonderen Wesensmerkmale der Trainerfrau Gaby Schuster und der Dame Fortuna waren nicht miteinander kompatibel. Frau Schuster sagte gerne, wo es langgehen soll. Und Löring war schnell beleidigt. Trotz einer mündlichen Einigung über eine Vertragsverlängerung bat sie um Bedenkzeit. „Ich bin nicht der Notnagel der Familie Schuster“, beschied Löring, der von sich selbst sagte, er habe Prinzipien wie ein Eisberg. Er fügte hinzu: „Die Fortuna wird es länger geben als Schuster, dies sei nämlich biologisch bedingt.“

Nach 32 Jahren kam es deswegen auch zum Bruch zwischen Schatzmeister Klaus Wolf und Löring. „Ich bin von ihm ein halbes Jahr hingehalten worden, um mit ihm und Bernd Schuster über die Vertragsverlängerung zu sprechen und für die neue Saison zu planen. Durch einen Zufall habe ich dann aber Wind davon bekommen, dass Löring in der Eifel mit Harald Schumacher als neuem Trainer in Verhandlung getreten sei. Und ich wusste von nichts. Ich habe Herrn Löring darauf angesprochen und eine Vorstandssitzung verlangt. Das hat er abgelehnt. Beim darauffolgenden Heimspiel sind wir wortlos am Spielfeldrand nebeneinander hergegangen. Kurz darauf habe ich meinen Rücktritt erklärt“, wird Wolf im Buch „Ich weiß es noch genau“ von Heribert Rösgen und Matthias Langer zu den damaligen Ereignissen zitiert.  

Letztlich kam es zum Tausch Schuster gegen Schumacher. Schuster wechselte auf den nach dem Bundesliga-Abstieg freigewordenen Posten beim FC und wurde in der Saison 2007/08 auch als Trainer spanischer Meister mit Real Madrid. Und Schumacher trat fortan gegen seinen Lieblingsklub an, der ihm nach der Veröffentlichung seines Enthüllungswerkes die Freundschaft samt Arbeitsverhältnis gekündigt hatte. Das Ende ist hinlänglich bekannt. Der Anpfiff für den „Tünn“ in der Südstadt war der Abpfiff für Fortuna und den „Schäng“.  

 

 

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