Durchmarsch von der vierten in die zweite Liga? - Jahn Regensburg im Gegnercheck
Aktuelle Lage:
Der SSV Jahn Regensburg steht tabellarisch aktuell auf dem dritten Platz der 3. Liga und ist dadurch momentan bester Aufsteiger. Mit 39 Punkten hat man sogar gleich viele, wie der 1. FC Magdeburg auf Platz zwei. Trotzdem beträgt der Abstand zu Rang neun nur drei Punkte. Die Bestätigung für eine enge Liga drei in der Saison 16/17. Gute Karten, um bis zum Ende um den Aufstieg mitmischen zu können, hat der Jahn aber trotzdem. Die Herrlich-Elf befindet sich in einer herausragenden Verfassung, ist seit acht Partien ungeschlagen. Die letzten drei Spiele hat der SSV sogar alle gewinnen können. In der letzten Begegnung gab es einen 2:0-Heimerfolg gegen die Sportfreunde Lotte. Entschieden wurde diese Partie durch einen Elfmeter und ein Eigentor. An sich ein unspektakuläres Spiel, wenn die Pokalhelden aus Lotte nicht die letzten drei Auswärtspiele mit 3:0, 3:0 und 2:0 für sich entschieden hätten. Die Souveränität und Leichtigkeit aus diesen Begegnungen schien die Mannschaft aus dem Tecklenburger Land aber an Regensburg abgegeben zu haben, wie auch Lotte-Trainer Ismail Atalan befand: "Ab der ersten Aktion hatte Regensburg komplett die Kontrolle über das Spiel übernommen, wir hatten überhaupt keinen Zugriff." Jahntrainer Heiko Herrlich tritt derweil auf die Euphoriebremse: "Es ist alle so eng zusammen, wir sollten den Ball flach halten. Unser Ziel sind 45 Punkte und nichts anderes." Trotzdem: Regensburg ist gut drauf und im Jahr 2017 noch ohne Niederlage.
Belohnung für viel Aufwand
Verschließen kann man sich in Regensburg aber nicht vor der Tatsache, dass aktuelle Form und der Tabellenstand zumindest leichte Aufstiegsgerüche mit sich tragen. Die Mannschaft der Stunde beweist vor allem im Moment immer wieder Moral und kämpft sich nach Rückschlägen zurück. In allen vier Spielen vor Lotte lag der Jahn zunächst hinten - keine einzige Partie verlor das Team. Zweimal fuhr Jahn noch einen Punkt, die anderen beiden Male sogar drei Punkte ein. Dabei agierte man als geschlossene Einheit. "Den Regensburger Heilsbringer" gibt es nicht, wer den Ball letztendlich über die Linie drückt ist egal. In den genannten Partien sorgten stets unterschiedliche Akteure für die Wende. Das Hinspiel zwischen Jahn Regensburg und Fortuna Köln endete 2:2. Auch in diesem Spiel lag der SSV hinten, zweimal sogar. Der entscheidende Treffer zum Ausgleich gelang unmittelbar vor dem Abpfiff der Partie.
Generell schießt Regensburg im zweiten Spielabschnitt doppelt so viele Tore, wie im ersten (13 bislang in der ersten Halbzeit, 26 in der zweiten). Mit 39 Treffern insgesamt stellen die Rothosen, zusammen mit dem Chemnitzer FC, die beste Offensive der Liga.
Verletzungen bereiten Sorgen
Platz drei, seit acht Begegnungen ungeschlagen, die meisten Tore der Liga - eigentlich sollte die Stimmung beim Jahn besser kaum sein, würden Trainer Heiko Herrlich nicht die Verteidiger ausgehen. Kapitän der Regensburger, Markus Palionis absolvierte bislang erst zwei Partien in der dieser Spielzeit. Seit August fällt der Innenverteidiger mit einem Kreuzbandriss aus. Sein Ersatz in der Rolle als Kapitän, Oliver Hein, zog sich Ende Februar bei einem Zusammenprall im Training einen Außenbandriss sowie eine Kniescheibenverletzung zu. Es ist ungewiss, ob Hein in dieser Saison noch einmal zum Einsatz kommt. Damit fehlt Regensburg der etatmäßige Rechtsverteidiger. Für den Vize-Kapitän sprang Robin Urban auf der Rechtsverteidiger-Position ein. Doch auch der 22-Jährige blieb vom Pech verfolgt und musste gegen den VfR Aalen zur Halbzeit mit einem Außenbandriss ausgewechselt werden. Infolgedessen musste Heiko Herrlich kreativ werden. Gegen Lotte bekleidete der gelernte defensive Mittelfeldspieler Sven Kopp die für ihn ungewohnte Position. Es kam, wie es kommen musste: Kopp zog sich eine Schulterverletzung zu und fällt gegen die Fortuna aus. Die Rechtsverteidiger-Position ist damit wieder unbesetzt und die Kreativität von Herrlich erneut gefragt, der sich Fragen muss, wem er die Rolle hinten rechts am Samstag und vermutlich darüber hinaus zutraut.
Parallelen zur Aufstiegssaison 11/12
Nur einmal hatte Regensburg seit Gründung der 3. Liga zum aktuellen Zeitpunkt mehr Punkte auf dem Konto: In der Aufstiegssaison 11/12 unter Markus Weinzierl (41 Punkte). Weinzierl, mittlerweile Bundesligatrainer beim FC Schalke 04, hat den Sprung geschafft. Der Aufstieg mit dem SSV im Jahr 2012 war ein Stück weit ein Dosenöffner für seine Karriere. Für Regensburg ging es aber schon nach einem Jahr wieder runter in die 3. Liga. Nach einer durchwachsenen Folgesaison, verlor der Jahn 14/15 endgültig den Boden unter den Füßen und stieg in die Regionalliga Bayern ab. Nachdem u.a. Franciszek Smuda, Thomas Stratos und Christian Brand als Trainer beim Jahn gescheitert waren, übernahm Heiko Herrlich, der zuletzt die U17 von Bayern München gecoacht hatte.
Herrlich führte Regensburg im ersten Anlauf zurück in die 3. Liga. Und auch 16/17 funktioniert das Herrlich-System auf Anhieb. Trotz guter Leistungen in der Hinrunde blieb Herrlich aber gewohnt bodenständig. So sagte er dem kicker im Januar: "In den letzten fünf Jahren gab es hier acht Trainer. Vielleicht haben sie mich ja irgendwann satt." Der Jahntrainer weiß wie schnelllebig das Trainderdasein heutzutage sein kann, dennoch weist die aktuelle Herrlich-Saison Parallelen zur Weinzierl-Aufstiegssaion auf. Nach 25 Spieltagen hatte die Mannschaft 11/12 zwei Punkte mehr auf dem Konto. Man stand, genau wie aktuell auch, auf dem dritten Tabellenplatz und hat die gleiche Anzahl an Toren geschossen. Das damalige Offensivtrio Jim-Patrick Müller, Michael Klauß und Tobias Schweinsteiger erinnert stark an das heutige Dreieck um Jann George, Erik Thommy und Marco Grüttner. Herrlich weiß, was er an diesen Spielern und auch am Verein hat: "Es wäre toll, wenn ich in zehn Jahren noch hier wäre - ein Traum. Meine Jobzufriedenheit hier ist sehr, sehr hoch." Ein klares Bekenntnis eines 45-Jährigen, dessen Leistungen mit dem Jahn Begehrlichkeiten bei anderen Vereinen geweckt haben dürfte.
Im Fokus: Jann George
Begehrlichkeiten dürfte derzeit auch Rechtsaußen Jann George wecken. Der 24-Jährige stammt gebürtig aus Nürnberg, spielte dort lange für die Jugend des 1. FCN. Bei den Franken arbeitete George lange für den Durchbruch. Gleichzeitig eilte George aber kein guter Ruf voraus. Schließlich wurde er aus dem Kader gestrichen. Über die Zwischenstationen 1860 München und Greuther Fürth gelangte er nach Regensburg - hier sollte ihm der Neuanfang glücken. In seiner ersten Regionalliga-Saison wusste George zu überzeugen, beteiligte sich mit sechs Assists und drei eigenen Treffern am direkten Wiederaufstieg. In seiner ersten Drittliga-Spielzeit legt der 24-Jährige aber noch eine Schippe drauf. Mit drei Vorlagen und acht Toren weiß der gebürtige Nürnberger zu glänzen. Auch Heiko Herrlich ist diese Entwicklung nicht entgangen: "Jann ist in einer sehr guten körperlichen Verfassung, was er in meiner Anfangszeit nicht war. Mittlerweile kann er 90 Minuten marschieren, auch gegen den Ball." Der 8-Tore-Mann dürfte, so er denn weiterhin konstant seine Liestung abruft, nach der Saison zum Thema für mehrere Zweitligisten werden. George verkündete aber schon letzten Herbst der mittelbayerischen Zeitung: „Ich habe mich in Regensburg dauerhaft eingerichtet. Ich lebe hier mit meiner Freundin und kann mir auch sehr gut vorstellen, länger beim Jahn zu bleiben." Vielleicht muss der 24-Jährige aber auch gar nicht wechseln, um eine Liga höher zu spielen. Beim SSV Jahn Regensburg scheinen viele Faktoren zu stimmen, vom Trainer über die Qualität der Mannschaft bis hin zur richtigen Einstellung. Gute Voraussetzungen, um einen der begehrten vorderen drei Plätze zu erklimmen.