„Die Überdachung auf Stehplatz Mitte wäre eine Investition in die Zukunft“
Jürgen, schildere uns in dem Zusammenhang doch zunächst einmal deinen beruflichen Hintergrund…
Ich bin Diplom-Ingenieur für Versorgungstechnik. Ich war immer selbstständig mit 60 Mitarbeitern, ich habe die Firma in 2019 verkauft und betreue jetzt nur noch ausgewählte Projekte. Sonst hätte ich letztes Jahr auch nicht ehrenamtlich bei der Fortuna als Geschäftsführer arbeiten können. Ich habe Heizungsanlagen und elektrontechnische Anlagen für Groß- und Sonderbauten geplant. Momentan betreue ich unter anderem die energetische Sanierung des Schloss Bellevue in Berlin. Ich weiß also, wovon ich spreche.
Jürgen, du hast in den letzten Jahren intensiv und des Öfteren Gespräche mit der Stadt geführt, um die Infrastruktur rund ums Südstadion und im Jean-Löring-Sportpark zu verbessern. Wie waren deine Erfahrungen?
Ab und an war ich wirklich desillusioniert. Ich hatte zum Beispiel vor geraumer Zeit in Zusammenarbeit mit einem renommierten Architekturbüro, die unter anderem das Bundespräsidialamt gebaut haben, eine Machbarkeitsstudie für das Südstadion erstellen lassen. Diese war vergleichbar mit neuen Stadien in den Niederlanden. Ohne Laufbahn, mit Wohnbebauung, mit Einzelhandel zur Pohligstraße hin. Zudem war in unserem Modell die Turnhalle mit in die Tribüne integriert. Dann wäre Platz für insgesamt vier Kunstrasenplätze gewesen. Leider wurde dieser großartige Entwurf abgeschmettert. Wir sind nun mal mit eingebunden in die flächendeckende Sanierung des Areals rund um den Jean-Löring-Sportparks. Dieser wird vom Sportamt betrieben. Für das Stadion ist die Kölner Sportstätten GmbH zuständig. Wir sind dennoch kontinuierlich am Ball geblieben.
Es gab es auch mal Pläne, dass die Fortuna für einen Stadion-Neubau komplett umzieht. Wäre für dich der Verein ohne seine Heimat Südstadion denkbar gewesen?
Es wäre eine Schande, ein Stadion mit dieser guten Infrastruktur nicht besser zu nutzen. Das Südstadion ist sehr gut an den ÖPNV angebunden. Meiner Meinung nach sind auch die vielen Stadionneubauten im Rahmen unserer Klimaerwärmung gar nicht mehr zeitgemäß. Aus den Plänen, ein gemeinsames Stadion rechtsrheinisch für uns und Viktoria zu bauen, hatten wir uns ausgeklinkt. Das wäre das Ende der Fortuna gewesen, wenn wir aus der Südstadt nach Stammheim gezogen wären. Dann hätten wir unsere Seele verkauft. Uns ging es nun darum, eine kleine Lösung zu realisieren. Damit der Zuschauer auf Stehplatz Mitte zumindest in absehbarer Zeit über einen Mindestkomfort verfügen kann, sprich, dass er im Trockenen steht. Zudem kann man somit auch den Schallschutz verbessern.
Und nun ist endlich Bewegung in das Projekt „Überdachung auf Stehplatz Mitte“ gekommen…
Scheinbar spricht von Seiten der Stadt nichts gegen ein Dach. In Abstimmung mit der KSS sind wir es dann angegangen. Daraufhin haben wir eine statische Berechnung über 74 Seiten erbracht, ein Brandschutzkonzept erstellt, nach über einem Jahr hat die KSS nun den Bauantrag bei der Stadt eingereicht. Sie ist hundertprozentige Tochter der Stadt und betreibt das Südstadion, den Höhenberger Sportpark und das RheinEnergie-Stadion. Sie ist der Inhaber, wir sind nur der Pächter. Wir haben dennoch unsere Bereitschaft erklärt, die Überdachung auf unsere Kosten zu bauen. Im Endeffekt hätte die KSS dadurch auch viel bessere Vermarktungs- und Nutzungsmöglichkeiten.
Was gibt es vor und während des Baus zu bedenken und zu beachten?
Das Dach ist so ausgerichtet, dass wir über die gesamte Fläche eine Solaranlage darauf errichten könnten. Somit gäbe es eine nicht geringe Stromgewinnung. Man könnte auf der einen Seite Fördermittel für die Errichtung des Baus beantragen, oder es an einen externen Dienstleister outsourcen, dieser bekäme die Erträge, aber wir hätten weniger Kosten. Die Fundamente der 13 vorhandenen Stützen müssen ertüchtigt werden. Das wäre ein Punkt, wo wir ähnlich wie bei Union Berlin auch die Muskelkraft unserer Fans zur Unterstützung gut gebrauchen könnten. Wir bewegen uns bei der Errichtung der gesamten Anlage in einem hohen sechsstelligen Bereich. Das ist bei unserer angespannten finanziellen Situation nicht ohne, aber es wäre eine Investition in die Zukunft.
Und wie geht es nun weiter? Wie ist der zeitliche Rahmen?
Es handelt sich nicht um einen großen Neubau. Aber mit einem halben Jahr würde ich bis zur Genehmigung schon rechnen. Wenn wir diese haben, können wir uns um die Finanzierung kümmern. Wenn diese steht, brauchen wir weitere sechs bis zwölf Monate bis zur Fertigstellung. Theoretisch könnte man auch im laufenden Spielbetrieb anfangen zu bauen, wenn man Bereiche auf Mitte sperrt oder nur die Kurven öffnet. In Hinblick auf nächste Saison halte ich es für zeitlich ambitioniert. Für die Saison 2026/27 ist es sicher möglich und machbar.