Die letzte Reserve - Der SV Werder Bremen II im Gegnercheck
Aktuelle Lage
Das erste Mal in der Geschichte der 3. Liga spielt nur eine Reservemannschaft in der dritthöchsten deutschen Spielklasse: Der SV Werder Bremen II. Das Gründungsmitglied der eingleisigen 3. Liga ist mit einem Durchschnittsalter von nur 22 Jahren das jüngste Team in Liga Drei. Von Unerfahrenheit oder Nervosität ist bei den Bremern aber kaum etwas zu spüren. Mit elf Punkten aus sechs Spielen rangiert der SVWII momentan auf dem 7. Tabellenplatz. Dabei blieben die Bremer in den ersten vier Spielen der Saison unbesiegt. Die 1:4-Niederlage gegen den 1.FC Magdeburg am vergangenen Spieltag war die erste Partie ohne Punkte für die Reserve des Bundesligisten. Besonders auf dem heimischen Platz 11 agieren die Norddeutschen extrem souverän: Zwei Siege und ein Unentschieden stehen zu Buche. Den ambitionierten Aufsteiger aus Unterhaching besiegte der SVWII souverän mit 3:0, der große Aufstiegskandidat aus Karlsruhe wurde mit 2:0 nach Hause geschickt. Die Bremer sind zusammen mit der Fortuna das einzige Team der Liga, was auf heimischem Platz noch ohne Gegentreffer ist.
Die Bremer sind dann besonders stark, wenn sie in Führung gehen. Erst einmal verloren die Norddeutschen nach einer Führung noch Punkte: Beim 1:1 gegen die Würzburger Kickers. Dabei zeigte sich auch die vielleicht größte Schwäche der Bremer in dieser Saison: Die späten Gegentreffer- Vier ihrer fünf Gegentore kassierten die Norddeutschen diese Saison in der Schlussviertelstunde.
Gegen die Fortuna möchten sich die Bremer weiter von den Abstiegsplätzen distanzieren und gleichzeitig den Anschluss an die oberen Tabellenplätze halten. Die Bilanz der beiden Mannschaften ist sehr ausgeglichen: Jeweils vier Siege stehen für die Norddeutschen und die Rheinländer zu Buche, einmal trennte man sich unentschieden. Am 21. Spieltag der vergangenen Saison gab es ein 1:1 auf Platz Nummer 11.
Fluktuation im Trainingsbetrieb
Seit ihrem Aufstieg in die 3. Liga im Jahre 2015 schaffen die Bremer es immer denkbar knapp die Klasse zu halten. Vergangene Saison sprangen die Norddeutschen erst durch einen Sieg gegen den VfR Aalen am letzten Spieltag auf die Nicht-Abstiegsplätze. Ein Punkt trennte die Bremer von der Regionalliga. Ein Jahr davor war es sogar nur die Anzahl der geschossenen Tore, die einen Abstieg der Norddeutschen verhinderte. Das ist allerdings nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Bremer mit einer unheimlich hohen Fluktuation innerhalb der Mannschaft klarkommen müssen. Reservemannschaften haben traditionell das Problem, dass innerhalb der Mannschaft eine große Personalrochade herrscht. Innenverteidiger und Leistungsträger Jesper Verlaat ist beispielsweise regelmäßig beim Training der Profis. Auch Mittelstürmer Johannes Eggestein trainiert momentan regelmäßig bei der ersten Mannschaft mit und durfte dieses Jahr bereits Bundesligaluft schnuppern. So kommt er in der 3. Liga bisher nur auf einen einzigen Einsatz für die Norddeutschen. Die Bremer haben mit sechs weiteren U-Nationalspielern außerdem eine hohe Anzahl an Akteuren, die regelmäßig an den jeweiligen Verband abgestellt werden müssen. Leistungsträger Levent Aycicek verließ den SV Werder außerdem kurz vor Ende der Transferperiode in Richtung Greuther Fürth und 2. Liga. Man merkt schnell: Ein geregelter Trainingsablauf gestaltet sich für das Trainerteam um Chefcoach Kohfeldt extrem schwierig.
Der Analyst
Trotzdem schafft Florian Kohfeldt es, eine funktionierende Mannschaft auf den Platz zu bringen. Seit seinem Amtsantritt als Cheftrainer der Reserve sammelten die Bremer im Schnitt 1.38 Punkte. Florian Kohfeldt spielte selbst lange in der zweiten Mannschaft von Werder. Insgesamt acht Jahre hütete er das Tor der Norddeutschen, kam dabei aber nur neun Mal in der Bremenliga zum Einsatz. Der 38-Jährige ist seit 2009 als Assistenztrainer im Verein tätig, vier Jahre später übernahm er seinen ersten Posten als Cheftrainer der U16. Danach war Kohfeldt lange Zeit Co-Trainer der Bundesligamannschaft unter Chefcoach Viktor Skripnik, zusammen mit Thorsten Frings. Kohfeldt war hinter den beiden emotionalen Werder-Ikonen der analytische Teil des Trainerteams. Bei Skripnik genoss er einen hohen Stand. Der Ukrainer sagte einst über seinen Assistenten: „Er ist unser Stratege. Er macht uns die letzte Tür zu“. Soll bedeuten: Was Kohfeldt sagt, das stimmt auch. Das sahen auch die Verantwortlichen im Verein so. Denn während Skripnik und Frings nach einer Negativserie gehen mussten, durfte Kohfeldt im Verein bleiben und nach dem 10. Spieltag der vergangenen Saison die Reserve der Norddeutschen übernehmen. Dabei zeigte auch Kohfeldt, dass er eine Mannschaft auch in einer schwierigen Phase leiten kann. Als die Bremer ab dem 26. Spieltag in acht Partien nur zwei Punkte holen, bleibt Kohfeldt seiner Linie treu. Für ihn sei der richtige Weg gewesen, „nah an der Mannschaft zu bleiben, weiter zu erklären – so wie es meine Überzeugung ist, meine Linie. Von der bin ich nicht abgewichen“.
Im Fokus: Thore Jacobsen
Vergangene Saison wurde am letzten Spieltag der Klassenerhalt eingetütet, dieses Jahr überzeugen die Bremer bislang und haben schon jetzt acht Punkte Vorsprung auf einen Abstiegsplatz.
Einen großen Anteil daran hat Thore Jacobsen. Der 20-Jährige gelernte Linksverteidiger wird diese Saison hauptsächlich im linken offensiven Mittelfeld eingesetzt und dankt es seinem Trainer mit Leistung. Zwei Tore und zwei Vorlagen stehen für Jacobsen diese Saison bereits zu Buche. Bis auf die erste Partie gegen Unterhaching absolvierte er alle Spiele über die volle Distanz.
Der 20-Jährige U-Nationalspieler lernte das Fußballspielen ausgerechnet bei Werders Erzrivale Hamburger SV. Von 2012-2015 durchlief Jacobsen diverse Jugendmannschaften der Hamburger, ehe es ihn an die Weser zog. Dort durfte er bereits bei der ersten Mannschaft mittrainieren. Druck machen möchte sich Jacobsen selbst aber nicht: „Ich mache mir keinen Druck, denn ich habe noch so viele Jahre“. Eine besondere Einstellung für einen talentierten, jungen Fußballer.
Diese Geduld und Zurückhaltung hat aber keineswegs etwas mit mangelnden Ambitionen zu tun. Auch Thore Jacobsen möchte eines Tages Profi werden und in der Bundesliga auflaufen. Der 20-Jährige kann seine Situation aber sehr realistisch einschätzen: „Bei den Profis geht alles ein bisschen schneller, sie sind technisch noch etwas besser und insgesamt cleverer“.
Man merkt also sofort: Jacobsen ist bereit, noch zu lernen. Während der 20-Jährige sich als Spieler weiterentwickelt, versucht er auch sein angeeignetes Wissen weiterzugeben. Als Co-Trainer der U13 sammelt Jacobsen reichlich Erfahrung im Umgang mit jungen Menschen. Vielleicht tritt er ja eines Tages die Nachfolge seines jetzigen Trainers bei der U23 an.